BORUSSIA CORONA

von johannes wierz

 

Puh, das wäre geschafft. Die 57.  Spielzeit 2019/2020 ist vorbei. Bayern München ist zum dreißigsten Mal Deutscher Meister. Seit dem Ausbruch der Pandemie ist alles anders. Das gesellschaftliche Leben ist zum Stillstand gekommen und erwacht gerade aus dem Dornröschenschlaf. Auch den Sport hat es hart getroffen: keine Olympischen Spiele, keine Europa-Fußballmeisterschaft, keine vollen Stadien und keine Stadiongesänge.

Schon das erste Geisterspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln war gewöhnungsbedürftig und teilte die große Fangemeinde in mindestens zwei Lager. Ich selbst, wie viele andere auch, wurde abrupt in eine Art provisorischen Vorruhestand geschickt. Leere Straßen und Plätze, geschlossene Geschäfte und Geisterbahnhöfe - da hätten biertrinkende und würstchenessende Fußballfans sicherlich nicht ins Bild gepasst.

Der Beschluss des DFL die 57. Spielzeit 2019/2020 zu Ende zu spielen beflügelte die Phantasie der verschiedenen Fangruppen.

40.000 € für eine gute Sache Als ich am 1. April in der Zeitung las, dass Borussia Mönchengladbach Fanfotos als Pappfiguren auf den Rängen im Borussiapark aufstellen wollte, hatte ich zuerst an einen Aprilscherz gedacht. Nach genauerem Studium des Artikels und einem Anruf bei einem der Organisatoren, wurde mir schnell klar, dass es sich nicht um eine Zeitungsente handelt.

Zum Selbstkostenpreis von 19 Euro und dem Zusenden eines Fotos wurden die Pappkameraden hergestellt. Die Aktion war verbunden mit einer Hilfsaktion für zwei kleine Firmen in Mönchengladbach, die wegen der Corona-Krise in Schieflage geraten waren. 2,50 Euro gingen pro Pappfigur an das Gladbacher Fanprojekt Mönchengladbach.

Aus anfänglich Tausend geplanten Pappkameraden wurden am Ende zwanzigtausend Pappzuschauer. So kamen am Ende 40.000 € Euro Spendengelder zusammen.

Am 16. Mai startete nach 66 Tagen Zwangspause die Bundesliga ohne Zuschauer in den Rest der Saison: Die ersten Spiele im Fernsehen hatten etwas Tragikomisches. Hilflose Kameramänner waren auf der Suche nach Schnittbildern und landeten letztendlich doch nur bei den trostlosen leeren Rängen: mit wenigen Ausnahmen, wie im Borussiapark oder beim 1.FC Köln, wo die Fans die Möglichkeit hatten ihre Maskottchen auf ihre Stammplätze legen zu lassen.

25.000 € für ein EndeMit der Öffnung der Lokale bekam man zumindest die Möglichkeit, mit nötigem Abstand in Gemeinschaft die Bundesliga auf großer Leinwand zu verfolgen. Im Spitzenspiel zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund kam es in meiner Fußballstammkneipe zum Eklat. Zuviel Gäste tummelten sich drinnen wie draußen um die Bildschirme, so dass das Ordnungsamt eingriff. Fazit: 25.000 € Geldstrafe für den Wirt, was zur Folge hatte, dass es das Lokal heute nicht mehr gibt.

Eingetragener Verein

Der als gemeinnützig anerkannte Verein „Faire Fans e.V.“ versteht sich als Stimme der schweigenden Mehrheit der friedliebenden Fans.

Der Beginn einer neuen FreundschaftBei einem meiner Spaziergänge zwischen den Geisterspielen stieß ich auf ein Grundstück, in dessen Garten an einem hohen Mast die Fahne von Borussia Mönchengladbach im Wind flatterte. Durch mein Fotografieren wurde der Hausbesitzer auf mich aufmerksam. Wir kamen ins Gespräch und landeten schnell beim Thema Fußball. Der Familienvater lud mich ein, zusammen mit seinen beiden Kindern das letzte Spiel Borussia Mönchengladbach gegen Hertha BSC in seinem Garten bei Grillwurst und Kaltgetränk anzuschauen. Während der Hausherr und ich auf Gartenmöbeln das Spiel verfolgten, lagen die beiden Kinder - sechs und vier Jahre alt - im Gras und schauten gebannt auf den Bildschirm.

„Die beiden sind noch nicht Playstation und Sky geschädigt,“ flüsterte der stolze Familienvater und fügte hinzu, dass es für seine Kinder keinen großen Unterschied mache, vor auf dem Bolzplatz die Spiele des lokalen Ortsvereins oder im Fernsehen die der Bundesliga zu verfolgen.

Borussia Mönchengladbach gewann gegen Hertha BSC mit 2:1 und qualifizierte sich so zum dritten Mal für die Champions League.

Ich bin gespannt auf die 58. Spielzeit und habe mir fest vorgenommen, den Vater mit seinen beiden Kindern zum ersten Heimspiel von Borussia Mönchengladbach mit Zuschauern in den Borussiapark einzuladen.

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