Gelbe Karten, rote Karten

von johannes wierz

Quelle foto: siehe unten

Es war die falsche Entscheidung der Schiedsrichter im Pokalspiel Borussia Dortmund gegen Borussia Mönchengladbach: Statt Abstoß für die Gastmannschaft wurde eine Ecke für die Heimmannschaft gegeben, worüber sich der Gladbacher Trainer verbal so erregte, dass der Schiedsrichter ihm die rote Karte zeigte und ihn auf die Tribüne verbannte...

Was hatte Marco Rose eigentlich gesagt, was auf den Platz gerufen? Borussen-Manager Max Eberl kommentierte das Ganze folgendermaßen: „Es ist ein Wort gefallen, was wir beim Autofahren alle hundertmal benutzen, wenn dir einer die Vorfahrt nimmt. Nicht mehr und nicht weniger.“ – Später hieß es, der Trainer hätte „blöder Vogel“ gesagt.

Dazu fällt mir der große Sprachakrobat Heinz Erhardt ein. In einem seiner „Willi Winzig“-Filme aus den Sechzigerjahren tituliert er seine Sekretärin als „großen weißen Vogel“ und begründet es mit der Befürchtung, sie würde zur Gewerkschaft laufen, würde er „blöde Gans“ sagen. – Nun ja, ich habe beim Autofahren das Wort „Vogel“ noch nie in den Mund genommen, da fallen mir meist ganz andere Tierarten ein.

Beim 2:1 der Borussia gegen AS Rom bekam Christoph Cramer nach dem entscheidenden Treffer seiner Mannschaft vom Schiedsrichter die gelbe Karte gezeigt, obwohl er nur im Trainingsdress am Rande des Spielfelds auf und ab ging. Wofür? Für seinen überschwänglichen Jubel in der Nachspielzeit, nachdem dieses Siegtor das Weiterkommen in der Europa-Liga offenhielt? Oder für sein freches Siegerlächeln? – Ich weiß es nicht und sicherlich auch keiner der anderen Anhänger von Borussia Mönchengladbach, die mit mir im Stadion waren.

Während also auf den obersten Spielebenen nervös Karten für fast gar nichts gezogen werden, sieht es in den untersten Spielklassen deutlich anders aus: Schiedsrichter werden massiv beschimpft, bedroht und zusammengeschlagen. Im Landesverband Berlin hat das solche Ausmaße angenommen, dass sich der Berliner Fußball genötigt sah, den Spielbetrieb für ein Wochenende einzustellen. Begründung: allgemeine Verrohung gegenüber den Schiedsrichtern.

Wenn es nur um Herrenmannschaften ginge, könnte man ja vielleicht noch meinen, dass dort immer schon ein rauerer Ton geherrscht hat. In Wahrheit tritt die Gewalt, ob physisch oder verbal, leider schon in den Kinder- und Jugendklassen auf. Und da sind es meistens die Eltern, die vom Spielfeldrand aus den Schiedsrichter beschimpfen, beleidigen oder bedrohen.

Eingetragener Verein

Der als gemeinnützig anerkannte Verein „Faire Fans e.V.“ versteht sich als Stimme der schweigenden Mehrheit der friedliebenden Fans.

Dabei gibt es kaum eine bessere Gelegenheit, als Kindern und Jugendlichen beim Fußball etwas über „das Leben“ beizubringen. Denn Gewinnen und auch Verlieren müssen gelernt sein. Ebenso das Sich-Einbringen in eine Gemeinschaft unterschiedlichster Individuen: Gemeinsam stehen wir auf dem Platz. Gemeinsam gewinnen wir. Gemeinsam verlieren wir. Im Fußball wie im richtigen Leben.

Die Kunst nach dem Fallen ist bekanntlich das Aufstehen. – Also liebe Väter und Mütter, gönnen Sie Ihren Kindern auch mal eine Niederlage, sie werden es Ihnen später danken, wenn sie gelernt haben, mit Enttäuschungen, Ungerechtigkeiten und falschen Entscheidungen umzugehen. Lassen Sie los und reiben Sie sich die Augen, wenn Sie feststellen, wie Kinder das unter sich regeln.

Zwei Mal „Elf Freunde sollt ihr sein!“ Natürlich gelingt das nicht immer. Aber der Versuch ist es wert, in einer Gemeinschaft sein Gegenüber zu erkennen, das Gegenüber zu respektieren und dadurch letztendlich sich selbst. Zudem sind es die Kinder und Jugendlichen, die das Fundament bilden für die oberen Klassen. – Woher soll sonst übrigens der Nachwuchs kommen?

Fußball als Gesellschaftsmodell, kein schlechter Gedanke. Gemeinsam gewinnen und verlieren, Regeln akzeptieren, neue Dinge ausprobieren. Spielzüge und Taktik verinnerlichen in einem Spiel, das sich wie sein Regelwerk stetig verändert. Selbst aus dem Spielgerät, früher aus Leder und mit Schweinsblase, nass wie eine Kanonenkugel schwer, ist heute ein verschweißter, vollsynthetischer Ball geworden, er wiegt gerade einmal noch 410 Gramm. 

Neugier entwickeln, mutig sein, Verantwortung übernehmen und daran wachsen! Natürlich muss das Runde immer noch ins Eckige, aber dazwischen liegt eine ganze Menge. Auch hitzige Diskussionen über gegebene und nichtgegebene gelbe und rote Karten gehören dazu, und dass sie vergänglich sind: bis zum nächsten Spieltag. 

Foto (unbearbeitet) von Marco Verch

Quelle:  https://www.flickr.com/photos/149561324@N03/41626146955/in/photolist-26qmTfT-jwXgav-eMupJp-hqox2E-26qmTWx-9Yhosu-6eqVXt-9Yeo7n-6makx5-9YhgYh-9YethD-6eqca2-9YhG3C-9Yez6n-6evbhb-6evCd5-6euX5S-6eqqRc-6marvs-6erswH-6eqKLv-6euA2u-6evfXj-6eqFnR-6erdoK-6evkeQ-6erajH-6er24k-6mamY9-6m5Zu6-6euQJU-6euvWb-6euv15-6mTP2E-6eqSgi-6euZfA-6euSU9-9Yew6B-6eriet-6erfR4-6eqZKK-6euW51-6euJGf-6er8UV-6say7j-6m6BLV-6maKGU-6m6tyR-6evzeb-6ev2zQ

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