Alexander H. Gusovius Alexander H. Gusovius
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Redaktionelle Leitung
05.11.2019

zu viele missverständnisse

In den letzten Tagen ist es wieder zu vermehrten Ausbrüchen von Hass und Gewalt in den deutschen Fußballstadien und um sie herum gekommen: Ziegenköpfe in Köln, Warnschuss auf St. Pauli, Leuchtraketenangriff auf die Bank des Gegners und dergleichen mehr. Zuvor war es eine Weile lang relativ ruhig geblieben, doch nun bricht sich erneut eine Welle roher Gesinnung und brutaler Aktionen Bahn.

Fußballfans Stadion Bengalo

Wie immer distanzieren sich alle eilig von Hass und Gewalt und verurteilen, was geschehen ist, allen voran die Vereine, deren Sportarenen zum Schauplatz wurden. Zähneknirschend warten sie auf die Urteile, die der DFB in solchen Situationen meist in Form von Geldstrafen verhängt. Und dann? Wird gezahlt und geht alles so weiter, bis es zum nächsten Hass- und Gewaltausbruch kommt.

In den Medien muss man zum Teil mühsam nach den Einzelheiten und überhaupt nach Berichten des realen Geschehens suchen. Man hat sich seitens der Medien offenbar entweder daran gewöhnt, dass derlei eben einfach geschieht, oder man möchte die Sache nicht zu hoch hängen, um dem Fußball nicht zu schaden bzw. um angeblich den „Chaoten“ oder „Dummköpfen“, wie man die Tätergruppen gern umschreibt, keine Bühne zu bieten.

Dahinter steht ein schweres Missverständnis, eines von vielen, die in der Wahrnehmung, Bekämpfung und Tolerierung von Übergriffen im Fußball ihr Unwesen treiben. Denn es handelt sich hier keinesfalls um Chaoten, sondern um Täter, die ganz gezielt vorgehen, die ihre Taten mit viel Akribie planen und durchführen. Das nächste Missverständnis betrifft den DFB, der glaubt, hier mit Geldstrafen regulierend eingreifen zu können. Dass es so nicht funktioniert, sollte nach Jahren eigentlich klar sein und ist auch jedem bewusst.

Das schwerste Missverständnis teilen alle beteiligten und betroffenen Gruppen miteinander. Und zwar insofern, als sie meinen, dass hier Fans, wenn auch radikale Fans, am Werk seien. Die Täter und Planer von Hass- und Gewaltaktionen sind in Wahrheit jedoch alles andere als Fans, selbst wenn sie in einschlägigen Fanklamotten auftreten. Denn sie nutzen die Farben „ihres“ Vereins nur als Verkleidung, um ihre Lust an Hass und Gewalt auszuleben.

Diesem Missverständnis sitzen auch die Fankurven auf, in denen die Liebe zum jeweiligen Verein am leidenschaftlichsten gelebt wird. Hier, wo echte Herzblutfans dichtgedrängt den intensivsten Support betreiben, glaubt man, den übergriffigen, in gleichen Farben verkleideten Tätern den Schutz der Anonymität garantieren zu müssen, anstatt endlich zu begreifen, dass die von ihnen ausgehende Gewalt dem Fußball und auch seinen Fankurven schwersten Schaden zufügt. Vom Schaden ganz zu schweigen, den Einzelne immer mal wieder an Leib und Seele davontragen.

Eingetragener Verein

Der als gemeinnützig anerkannte Verein „Faire Fans e.V.“ versteht sich als Stimme der schweigenden Mehrheit der friedliebenden Fans.

Und diesen Schutz der Anonymität brauchen die Täter, ohne ihn würden sie sofort auffliegen und rasch vor Gericht landen. Und wie kommt es, dass all die friedlichen Herzblutfans in den Fankurven dabei mitmachen? Weil sie, und damit sind wir beim folgenreichsten Missverständnis, von den jeweiligen Vereinen im Glauben gewiegt werden, dass die Fankurven in ihren Emotionen durchaus auch ein bisschen übergriffig sein können, ohne es bitteschön zu sehr zu übertreiben. Denn die Vereine meinen, dass die Herzblutfans, also jene, die den lautesten Support liefern und zu jedem Auswärtsspiel fahren, dass diese in ihrer auch einmal übergriffigen Emotionalität bloß nicht gestört werden dürfen, weil sonst dem Verein Schaden durch eingeschränkten Support entstehen würde.

In der Summe führen alle diese Missverständnisse dazu, dass der gesamte Fußball von wenigen Tätern pro Verein geradezu terrorisiert wird. Würden die Vereine jedoch endlich dazu übergehen, die Tätergruppen in den Fankurven zu isolieren und den Irrglauben zu durchbrechen, es handle sich dabei um echte Fans, dann könnte der Spuk bald ein Ende haben. Der Ball liegt also eindeutig bei den Vereinen, denen es bislang an Mut und Weitsicht gebricht, für klare Verhältnisse zu sorgen.


 

Bildquelle:
Christian Dammert (Portrait Alexander H. Gusovius)

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