Heiko Walkenhorst Heiko Walkenhorst
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08.02.2024

1000 Fragen – keine Antworten.

Ultras haben Fußball zu dem gemacht, was er weltweit ist. Sagen Ultras – und sehen sich als Lordsiegelbewahrer des wahren Fußballs. Stimmt das? Sollte es positiv im Sinne von Stadionatmosphäre gemeint sein, dann nicht. Nicht in Australien, nicht in Asien, nicht in Afrika, nicht in Nordamerika und auch nicht über all in Europa: nicht in Irland, nicht in Schottland, nicht in England und nicht in Spanien. Und wo wird aktuell der beste Fußball gespielt?

Wo ist der Beleg dafür, dass es die Ultras sind, die zur Steigerung der Popularität des Fußballs beigetragen haben? Waren es hierzulande nicht eher die Erfolge bei der WM90 bzw. WM 2006? (Gerne auch 2014)?

Was wollt ihr denn?

Gerade das Sommermärchen war es doch, das eine gravierende Änderung zum Guten brachte, inkl. der Atmosphäre sowie dem Bau moderner Stadien, inkl. Komplettüberdachung der Ränge. Damit erschloss sich der Fußball ganz neue Besucher, genauer: Besucherinnen.

Oder war es doch der Einstieg des Privatfernsehens, konnte man doch auf einmal garantiert eine Zusammenfassung des Spiels „meines Vereins“ sehen (vorausgesetzt, er spielte Bundesliga)? Und auf einmal spielten große, internationale Namen in der Liga – und manche aus fernen Ländern und Kontinenten, die hier zu großen Stars wurden – auch wenn das für diese oftmals alles andere als einfach war (s. Dokumentarfilm "Schwarze Adler").

Was sicherlich der Popularitätssteigerung zuträglich war, war, dass der klassische „Hool“ mehr und mehr verschwand und mit ihm das, wofür der Fußballfan ansonsten in Verbindung gebracht wurde (Gewalt, Nationalismus und Rassismus). Bis das geschafft war, dauerte es aber seine Zeit – und so ganz ist das ja bis heute nicht in allen Stadien der Fall. Aber bis zu seiner Ablösung sah ER sich als der Lordsiegelbewahrer des wahren Fußballs. Alle heute tonangebenden Gruppen sowie die schweigende Mehrheit dürften darin übereinstimmen: Er war es nicht.

Sind es aber die Ultras von heute? Allein hier liegt ja schon das Problem, dass es nicht „die“ Ultras gibt – ebensowenig wie „die“ Fans. Was sie eint, sind nicht ihre Ziele, sondern ihr Feindbild. Sie ähneln den Menschen auf Datingportalen: Sie formulieren nicht, was sie wollen, sondern das, was sie nicht wollen.

Inbesondere wollen sie keine Investoren. OK, keine Investoren. Gut. Fußball, wie er früher einmal war? Wollen sie das? Wollen sie die Zeit zurückdrehen? OK. Wie weit?

  • WM 54 – ohne Spielerwechsel, ohne gelbe und roten Karten, ohne Elfmeterschießen, ohne Dach überm Kopf?
  • WM 70 – mit dem Verbot des Frauenfußballs
  • WM 74 – nur bedingt Dach über dem Kopf (nur einige Sitzplätze), ohne Gesänge auf den Tribünen oder des Teams bei der Hymne, ohne Privatfernsehen (also Werbung, dafür nur Aufzeichnungen von drei Spielen), ohne Trikotwerbung (erstmals 1973 präsentiert von Eintracht Braunschweig („Jägermeister“) – aber ebenso verboten wie Integration des Sponsorennamens in den Vereinsname (1972 Chio Waldhof 07, dann SV Chio Waldhof 07 (1975))
  • WM 90 – ohne Pyro und sehr viel „Deutschland“, ohne Bosman-Urteil, ohne Champions League
  • 2000 – ohne komplett überdachte Stadien, ohne DFL (dafür droht dann die Selbstvermarktung der Vereine, wo klar sein dürfte, dass es da bestenfalls vier Teams geben wird, die davon profitieren würden).
  • WM 2006 – ohne Mobilanwendungen (Social Media)
  • WM 2014 - noch ohne VAR (1966 hätte er uns gegen England wahrscheinlich geholfen, 2010 im Achtelfinale gegen England 100%ig nicht)

Eingetragener Verein

Der als gemeinnützig anerkannte Verein „Faire Fans e.V.“ versteht sich als Stimme der schweigenden Mehrheit der friedliebenden Fans.

Natürlich gibt es sehr viele Sachen, die nerven, z. B. ...

  • ... Transferfenster bis in den Ligabetrieb hinein, aber das liegt am Arbeitsrecht – und Gesetze gelten nunmal für alle.
  • ... Zerstückelung des Spieltags auf mehrere TV-Anbieter, aber das lag am Bundeskartellamt (wieder Gesetzgeber) sowie der Fairness gegenüber den Mannschaften, die spät donnerstags in einem europäischen Wettbewerb antreten müssen.
  • ... die Vielzahl an Wettbewerben, die aber den Vereinen wieder (TV-)Gelder bringen, von denen sie ihre Spielerinnen und Spieler sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlen können, was allein über Eintrittsgelder nicht zu bewerkstelligen wäre. Und für die meisten Clubs auch nicht über den Verkauf von Werbeartikeln.

Haben die Ultras dazu einen, einen einzigen konstruktiven Vorschlag?

Und wenn wir hierzulande eine Lösung fänden, wie ist die dann auf UEFA-Ebene umsetzbar? Die DFL ist kein Mitglied, der DFB schon, aber der ja auch nur ein Mitglied von vielen. Andere Verbände, z. B. die FA ist da ganz anders konzipiert. Da würde man sich seitens der Fans wiederum sehr über einen Passus wie unsere 50+1-Regel sehr wundern.
(Man sehe nur, wie bei Newcastle United der Investor empfangen wurde. Das muss man beim besten Willen nicht gutheißen, aber man muss es akzeptieren, so wie man selbst ja auch möchte, dass die eigenen Regeln akzeptiert werden.)

Und erstaunlich ist doch auch, dass bei weitem nicht alle Ultras, die sich so stark machen für die 50+1-Regel, Mitglieder in ihrem Verein sind, so dass sie bei den Entscheidungen des Vereins gar kein Stimmrecht haben. Was also, wenn sie bei solchen Abstimmungen den Kürzeren ziehen, wenn z. B. die Mehrheit der Mitglieder sich z. B. für eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft aussprächen. Gegen wen würde sich ihr Groll dann wenden?

Einfach mal klar sagen, was man konkret will (nicht: nicht will). Gilt auch für Pyro.

Wie genau soll das aussehen? 20 Bengalos in einem Bereich sind OK? 50? Was ist mit Bengalo 51? Was mit Raketen aufs Spielfeld? Was ist mit Becherwürfen? Was mit Beleidigungen? Welche „Opfer“ wären sie bereit zu bringen, wenn sich wer der ihren nicht an dann ihre Regeln hält? Keine Vermummung mehr? Welche Strafen wären OK?

Könnte man sich in diesen Punkten einigen, hätte man wenigstens eine Basis.

Dann wären natürlich auch viele (arbeits-)rechtliche Fragen zu klären, z. B. freie Wahl des Arbeitsplatzes, Kündigungsschutz, leistungsbezogene Bezahlung, Zeitverträge – und da müssten dann auch noch Vereine und Spieler zustimmen, dass dies in die Verbandstatuten aufgenommen wird.

Dann geht es last but not least ums Geld. Woher kommt was? Und wie wird es verteilt.

Manches erwirtschaften die Vereine ja selbst (Tickets, Werbeartikel), aber nahezu alles andere kommt aus dem Topf der DFL, der sich wiederum speist aus den Einnahmen aus der Vermarktung (TV-Rechte, Bildrechte für Online-Medien). Die Gelder darin werden nach sportlichem Erfolg verteilt.

Auch das nervt viele, da sie hierbei auch Parameter wie Tradition und Einschaltquoten berücksichtigt haben wollen. Aber wäre das fair gegenüber aufstrebenden Mannschaften oder solchen aus kleinen Orten/Städten wie Heidenheim, Hoffenheim, Sandhausen, Darmstadt, Aue? Diese haben/hätten ja dadurch einen natürlichen, niemals aufzuholenden Nachteil, es sei denn, sie spielten kontinuierlich Champions League. (Mit welchen Spielern, die sie mit welchem Geld bezahlen sollen?)

Und damit wären wir beim "Schuldigen" für das riesige Auseinanderklaffen der Budget der Vereine: das Geld von der UEFA. Das kommt den teilnehmenden Vereinen zugute und natürlich könnte man darüber nachdenken, dass dies dem Verband zugute kommt, der es dann wiederum verteilt, aber an wen? Und warum sollten Mannschaften wie Bayern München oder Borussia Dortmund (oder Real Madrid, Juventus Turin, FC Liverpool etc.) auf Geld, das sie durch ihre sportlichen Ergebnisse erzielt haben, verzichten. Und was, wenn es hier eine Regelung innerhalb Deutschlands gäbe, würde da die Premier League oder La Liga mitmachen? Und was wären die Folgen, wenn nicht?

1000 Fragen, keine einzige Antwort. Wenigstens die aber könnte man erwarten, wenn es stimmt, was sie sagen, dass es ihnen wirklich um den Fußball ginge.

So aber geht es ihnen augenscheinlich nur (leider wieder mal) nur um sich selbst und dem Gefallen an Aufmerksamkeit für sich - und eben nicht die Sache: das schönste Spiel der Welt.

 

(Bildquelle)

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