NACHWORT ZUM DERBY KÖLN-GLADBACH
von johannes wierz
Wenn es ein Jahr lang kein Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach mehr gegeben hat, ist die Freude besonders groß, wenn es schon am 4. Spieltag so weit ist. Ich zumindest habe mich über den Aufstieg der Geißböcke in die 1. Liga gefreut. Denn eine Bundesligasession ohne das Derby ist keine richtige Session.
1500 Polizisten, eine Reiterstaffel, ein Hubschrauber und Wasserwerfer, die das Umfeld des Stadions sichern sollen, trüben die Vorfreude. Jetzt erst recht, denke ich. Wer Jahr für Jahr an Pokal und Meisterschaft glaubt, sollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass irgendwann auch dieses Szenario der Vergangenheit angehört. Neben dem Glas-, Flaschen- und Dosenverbot ist natürlich auch jede Art von Pyrotechnik ein „No-Go“.
Wie haben es Idioten vor dem Spiel eigentlich ins Rheinenergiestadion geschafft, um den Gästeblock mit Pferdekot und Buttersäure zu beschmieren? Trotz eines „Sicherheitsspiels“ scheint es Möglichkeiten gegeben zu haben, unbemerkt ins Stadion zu gelangen. Dabei bin ich immer davon ausgegangen, dass vor dem Spiel Hunde Reihe für Reihe abgehen und unter den Sitzen schnüffeln. Wahrscheinlich habe ich zu viele Spielfilme gesehen. Die Realität ist eine andere. Keine zwei Stunden vor dem Spiel ist die „Überraschung“ groß gewesen.
Dass sich beide Seiten mit Bannern und Sprüchen frotzeln: geschenkt. Aber dass niemand den üblen Gestank bemerkt haben will, übersteigt meine Vorstellungskraft. Oder doch nicht? Ich stelle mir zwei Greise in Uniform einer Wach- & Schließgesellschaft vor, die durch die Ränge schlurfen und bei jedem Rang ein Nickerchen halten.
Was bringt denn so ein gigantischer Aufwand an Sicherheitskräften vor dem Stadion, wenn am selbigen Tag bzw. in der Nacht offene Tür ist und niemand zuständig zu sein scheint... Hätte ein guter Gastgeber nicht seinen Block zur Verfügung gestellt oder sich bemüht, mit allen erdenklichen Kräften das zum Himmel stinkende Problem mit Putzmitteln zu beheben?
Dass Idioten nicht aussterben, liegt auf der Hand. Aber müssen sich zwei Vereine von einer Minderheit von 800 gewaltbereiten Trotteln tyrannisieren lassen? Ich glaube nicht, zudem sie auf beiden Seiten gleich verteilt sind. 400 Chaoten auf jeder Seite dürfen einfach nicht die Möglichkeiten und die Macht bekommen, solch einem Derby den Glanz zu nehmen. Auf dem Platz wird gespielt und gekämpft, nicht auf den Rängen.
Dann die 86 Minute. Eine gigantische Detonation erfüllt das Stadion. Entsetzen in den Augen der Spieler und der Fans auf beiden Seiten. Erinnerungen an das Länderspiel im Stade de France in Paris im Oktober 2018 werden wach.
Zum Glück wird schnell klar, dass kein terroristischer Anschlag vorliegt, sondern ein Irrer aus dem Kölner Block einen Böller in die Menge unter ihm geschmissen hat. Mehr als 16 Opfer sind zu beklagen. Es gibt Verletzte und eine Menge mehr an Zuschauern bzw. Fans, die verstört sind, weil sie es nicht fassen können.
Eingetragener Verein
Der als gemeinnützig anerkannte Verein „Faire Fans e.V.“ versteht sich als Stimme der schweigenden Mehrheit der friedliebenden Fans.
Was wäre passiert, wenn einer der Gäste den Böller reflexartig gefangen hätte? Ich mag es mir nicht ausdenken.
Inzwischen ist das Urteil von Seiten des Vereins gegen den 35-jährigen Gewalttäter gesprochen worden: drei Jahre bundesweites Stadionverbot. Mehr nicht!
Glauben die Verantwortlichen des 1. FC Kölns wirklich, dass ein 35jähriger Mann, der der rechtsradikalen Szene angehören soll, mit 38 Jahren geläutert sein wird? Ich wünsche mir zumindest, dass er in diesem Alter seine Schulden, die hoffentlich durch hohe Geldsummen in Zivilprozessen zustande kommen werden, noch nicht abbezahlt haben wird. Soll er das Derby genauso wie seine Opfer lange und spürbar in Erinnerung behalten.
Trotzdem, ich werde weiter ins Stadion gehen und hoffe, dass noch mehr Fußballverrückte mir folgen, damit die Idioten, die nichts, aber auch gar nichts mit Sport verbindet, überhaupt keinen Zutritt mehr finden.
Einer Freundin von mir ist im Kölner Karneval folgendes passiert: Ein Junge hat direkt neben ihrem linken Ohr eine Schreckschusspistole abgefeuert. Die Folge: ein geplatztes Trommelfell, das nicht zu reparieren war. Dennoch ist sie als „Kölsches Mädche“ immer noch bei jedem Rosenmontagszug dabei.
Zum Schluss ein Urteil aus England: West Ham United hat einen Fan wegen antisemitischer Gesänge mit einem lebenslangen Stadionverbot belegt.
Mehr ist nicht zu sagen.