Teil 3

AGITATION IST AGGRESSION

Zu Beginn der 2. Halbzeit wurde ein Doppelhalter hochgehalten, auf dem Dietmar Hopp im Fadenkreuz zu sehen war, also das gleiche Motiv, dass der anderen Borussia nun den Ärger vor dem DFB-Sportgericht einbracht – nur mit dem Unterschied, dass das Fadenkreuz diesmal grün und nicht schwarz war. Es wurde also extra für diesen Zweck angefertigt.

Daraufhin schrieb Herr Köster wieder einen Kommentar. Darin steht viel, aber kein Wort der Reue. Kein persönlicher Appell an diese Klientel, so etwas sein zu lassen. Wieder wählte er die auktoriale Erzählweise (also von außen stehend), als ob das alles nichts mit ihm, genauer: seiner agitativen Argumentation zu tun habe.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Bildquelle: borussia.de

Vielmehr fand er es „ein starkes Zei­chen aus den deut­schen Fan­kurven“, dass „die Fan­szenen klare State­ments gegen rechts­ex­tre­mis­ti­sche Gewalt und Ras­sismus“ präsentierten. Er fand dies „unter dem Ein­druck des Amok­laufs von Hanau (...) ein ermu­ti­gendes Zei­chen von poli­ti­schem Bewusst­sein der Anhänger.“

Nicht, dass wir das nicht auch voll und ganz unterstützen, nur war dies nicht von den Fanszenen initiiert, sondern durch den DFB, dem sich die Fans anschlossen.

Diesen Fehler von Ursache und Wirkung setzte er dann fort. So beklagte er, dass „diese State­ments allen­falls am Rande gewür­digt“ worden seien.

Domi­niert wurde die Bericht­erstat­tung von einem Banner, das Ultras in Mön­chen­glad­bach gezeigt hatten. Zu sehen war der Hof­fen­heimer Klub­boss Dietmar Hopp in einem Faden­kreuz, ein bekanntes und berüch­tigtes Motiv, das seit Jahren Gegen­stand erbit­terter Strei­tig­keiten ist und zuletzt auch vor Gericht ver­han­delt wurde. Gezeigt wurde es als Reak­tion auf den Beschluss des DFB, die Dort­munder Anhänger kol­lektiv für zwei Jahre bei Aus­wärts­spielen der Borussia in Hof­fen­heim aus­zu­sperren. Ein Urteil, das eine schroffe Kehrt­wende des Fuß­ball­bundes bedeutet, der noch vor zwei Jahren öffent­lich­keits­wirksam ver­kündet hatte, keine Fan­szenen mehr pau­schal abstrafen zu wollen. Nun spielen derlei Ver­spre­chungen keine Rolle mehr.

Gewiss hätte er schreiben können:

„Es hätte ein noch stärkeres Zeichen sein können, wenn nicht „50 Hornochsen“, wie sie Max Eberl nach dem Spiel fast noch zu brav titulierte, diesen völlig überflüssigen Doppelhalter mit Dietmar Hopp im Fadenkreuz gezeigt hätten. Damit führten sie die ganze, deutschlandweite Aktion zuvor mit Verlesung der Anteilnahme sowie Gedenkminute für die Opfer dieses rassistischen Angriffs völlig ad absurdum. Die Reaktion des Gladbacher Publikums machte darüber hinaus überdeutlich, was es von dieser menschenverachtenden Aktion hielt. Allein in ihrem Interesse – und auch im Interesse der aktiven Fanszene nicht nur in Mönchengladbach – könnte man den DFB gut verstehen, wenn er sowohl Strafen als auch Kontrollen vor sowie während des Spiels mittels Videokameras schärfer verfolgt. Es geht darum den Fußball und seine Werte zu verteidigen. Dazu zählt Fairness und Respekt vor dem Gegner. Genau diese Werte wurden von diesen Hornochsen konterkariert aus rein egoistischen Motiven – und das kann niemand gutheißen.“

Hat er aber nicht. Mehr noch, er nutzte diese Aktion, um das dem Protest vorangegangene Urteil des DFB-Sportgerichts sowie den DFB in Gänze anzugehen. Dabei lag diesem Urteil eine nahezu identische Aktion zugrunde.

Das fand er aber plötzlich „kein akzeptables Mittel des Protests“ mehr („Derlei Banner (sind) nicht mal im Ansatz ange­mes­sene Formen des Auf­be­geh­rens.“) so ver­ständ­lich die Empö­rung der Anhänger über den Gesin­nungs­wechsel der Funk­tio­näre“ sei.

Welche Empörung? Welcher Anhänger? Weit über 50.000 Leute im Stadion empörten sich direkt im Stadion über die Deppen in ihren Farben, nicht über die Funktionäre. Und die Zustimmungswerte in Fußball-Deutschland für diese Aktion dürften noch niedriger sein als im Stadion – und da betrug sie nicht einmal ein Promille.

Aber es gab auch Momente der plötzlichen Einsicht:

Mal abge­sehen davon, dass schon die Mög­lich­keit, dass sich der so Atta­ckierte per­sön­lich bedroht fühlt, solche Pla­kate ver­bietet, ...

Die Rede ist hier natürlich wieder von Herrn Hopp, dessen Gang vor ein ordentliches Gericht er ja zuvor als „gut orchestrierten (...) Rachefeldzug“ vom Hoffenheimer „Oberboss“ Hopp bezeichnete. Plötzlich ist die Wortwahl auch eine andere. Plötzlich ist er das, was er de facto in dem Falle ist: der Attackierte. (Würde sich Herr Köster nicht wehren, wenn er persönlich attackiert würde?)

Und Herr Köster kommt zu dem Schluss, dass Hopp eben nicht das per­so­ni­fi­zierte Böse (ist), ohne den der Fuß­ball besser wäre.“ Das sagte auch nie jemand so wirklich wörtlich. Aber Sie, Herr Köster, zählen mit zu denen, die es genau so darstellten. Deshalb sollten Sie in erster Linie folgenden Passus ...

„Des­halb täte den Fan­kurven überall im Lande gut, für den Pro­test andere Aus­drucks­formen zu finden, die nicht weniger scharf und klar sein müssen, aber auf per­sön­liche Atta­cken ver­zichten.“

an sich selbst adressieren, auf Ihre Sprache achten und durch weniger Agitation Ihren Beitrag zu weniger Aggression leisten. Wenn die sinnbefreite Aktion in Mönchengladbach noch etwas gezeigt hat, dann, dass Sie die Macht haben, diese Leute zu erreichen, dass sie auf Sie hören. Natürlich fällt dies leichter, wenn Sie sie in ihrem Denken bestätigen. Aber auch wenn es mal schwieriger sein sollte, könnten Sie es zumindest mal versuchen.

Der letzte Abschnitt Ihres Kommentars im Anschluss an die Vorkommnisse im Borussenpark fängt diesbezüglich schon einmal richtig an:

Gerade des­halb aber sollten die Fan­szenen schlauer sein und sich den Fal­len­stel­lern ent­ziehen.

Dabei sagt er natürlich nicht, wer oder was diese Fallensteller sein könnten. Vielmehr dient das Wort nur als Überleitung dazu, wieder ins Opfer-Narrativ zu verfallen – mit erneut agitativem Tonfall:

Es ist wichtig, gegen Kol­lek­tivstrafen zu pro­tes­tieren. Ebenso gegen die Poli­zei­ge­walt- und willkür, der viele Anhänger aus­ge­setzt sind. Und es war gut, dass die Frank­furter Fan­szene am Mon­tag­abend gegen Union den Block absperrte. Die scharfen Töne, mit denen reak­tio­näre Medien und Jour­na­listen das Fern­bleiben kom­men­tierten, zeigte: Dieser Pro­test wirkt.

Zuerst: Wir sind gegen Hass und Gewalt, d.h. selbstverständlich auch gegen Polizeigewalt (nicht als Institution, sondern im Sinne von nicht legitimierter physischer/psychischer Konfrontation). Das schließt Polizeiwillkür unbedingt mit ein. Aber ...

  • Das beste Mittel gegen Kollektivstrafen ist zuerst einmal ein nicht strafwürdiges Verhalten.
  • Das zweitbeste Mittel gegen Kollektivstrafen ist die Ermittlung, besser noch: die Nennung der Einzeltäter aus den eigenen Reihen. Auf diese Selbstreinigung scheint ja der DFB nun und in Zukunft zu setzen.

Ob das mit den Frankfurter Fans so richtig getroffen wurde? Wenn das stimmt, was da steht, dass „die Frankfurter Fanszene“ den Block absperrte, hieße das ja, dass der Verein sein Hausrecht verloren und es an diese Leute abgegeben hätte, wobei sie gewiss nicht „DIE Frankfurter Fanszene“ darstellen. Das Stadion war ja nicht mit über 46.000 Zuschauern wirklich leer.

Und „die scharfen Töne“ waren jetzt welche? „Reaktionäre Medien und Journalisten“ waren wer genau? Man hat sich eher darüber belustigt, dass man gegen Montagsspiele demonstrierte, obwohl längst beschlossen ist, dass es die ab nächster Saison nicht mehr geben wird. Wenn also etwas wirkte, dann waren es diverse Proteste der letzten Saison sowie die Berichterstattung in den Medien über diesen Spieltag – und die geringeren Zuschauerzahlen dürften eine weitere Rolle gespielt haben, dass die DFL zurückruderte, obwohl ja zuvor alle 36 Mannschaften dafür waren, also auch die, die sich plötzlich als „Fananwälte“ aufspielten.

Lieber Herr Köster, wir fühlen uns wie Sie sich von den Biedermännern, den Menschen mit den Excel-Herzen in den Schaltzentralen in Verbänden und Vereinen oftmals genervt, aber nicht minder von den Brandstiftern, die Hass und Gewalt in die Stadien bringen. Agitation ist auch Aggression. Nichts davon braucht der Fußball. Ihr Magazin braucht das auch nicht, aber der Fußball braucht Ihr Magazin. Es bereichert ihn – mit seinen Interviews, Reportagen und oft auch seinem Spott und seiner (Selbst-)Ironie. Sein Liveticker hat nicht zu Unrecht bereits einen Grimme-Preis gewonnen. Weil er klug ist, intelligent, unterhaltsam und trotzdem dabei auch sehr oft sehr kritisch, ohne allerdings ehrabschneidend oder agitativ zu sein. Dieses Niveau sollten wir alle anstreben. Wir versuchen das. Und Sie sind herzlich eingeladen, es uns gleichzutun.

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Bildquellen: borussia.de; obs/CODUKA GmbH/k.A.

Teil 1

Agitation ist Aggression

Am 20. Februar 2020 kommentierte der Chefredakteur des Fachmagazins für Fußballkultur „11 Freunde“ das Urteil des DFB-Sportgerichts gegen Borussia Dortmund.

Teil 2

Agitation ist Aggression

In der Fehde zwi­schen BVB-Fans und Hof­fen­heims Ober­boss Dietmar Hopp werden inzwi­schen ja nicht nur Sport­ge­richte, son­dern auch die klas­si­sche Justiz bemüht. Und der Kon­flikt hat den Fan­szenen geschadet wie kaum ein anderer der letzten Jahre.

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